Das Kriegerdenkmal
Die Überschrift über den Toten des Zweiten Weltkrieges fällt auf: »Unsere Opfer«. Das meint offensichtlich etwas ganz anderes als der zur Phrase verkommene Satz: »Sie opferten ihr Leben für Führer, Volk und Vaterland«. Opfer, daran soll hier erinnert werden ist eine zentral religiöse Kategorie; nur auf diesem Hintergrund ist der Begriff, zumal in einer Kirche, überhaupt verständlich. Da ist immer etwas, das für etwas Übergeordnetes geopfert wird und jemand, der opfert bzw. das Opfer vollzieht. Unter den Niemegker Opfern befinden sich im Jahr 1945 vier Frauen. Vergleichbares ist mir von anderen Gedenktafeln nicht bekannt. Wer waren Edith Olbricht, Hannelore Olbricht und Maria Olbricht geb. Riemann? Welches Schicksal hat Elisabeth Textor geb. Schulz erlitten? Worin bestand ihr Opfer? Wer hat sie geopfert? Brennende Fragen, die der Sohn von Günter Krolzig nicht beantworten kann, die aber dringend einer Dekodierung bedürfen.
Der Zweite Weltkrieg war bekanntlich am 8. Mai 1945 zu Ende. Die Gedenktafel in der Niemegker Kirche unter der Überschrift »Unsere Opfer« kommt erst 1949 an ihr Ende. Das ist bemerkenswert, denn der parallele Gedenkstein für die Toten des Ersten Weltkrieges unter der Überschrift »unseren gefallenen Brüdern« umfasst genau die Kriegsjahre 1914-1918. Warum jetzt die Abweichung? Was war das Schicksal dieser Männer nach Kriegsende 1947, das dazu führte, dass ihre Namen auf dieser Gedenktafel festgehalten wurden? Worin bestand ihr Opfer und wer opferte sie – um noch einmal an die Überschrift zu erinnern? Die Niemegker Stadtgeschichte bleibt schmerzlich unvollständig, bevor all diese Toten kein Gesicht bekommen haben.